Etre « voyant », « arriver à l’inconnu par le dérèglement de tous les sens ». (Arthur Rimbaud)
Sylvie Abélanet zeigt in ihrem künstlerischen Werk ihre seherischen Fähigkeiten. Die Poesie inspiriert sie dabei, an erster Stelle jene von Arthur Rimbaud. Ihre Kenntnisse der Radierung – Druckkunst bei, der die Linien einer Zeichnung mit Säure in eine Kupfer- oder Zinkplatte geätzt werden - sind außergewöhnlich. Die Künstlerin wird physisch gefordert, sie setzt sich mit festen und mit flüssigen Materialien auseinander, der Geruch ist streng, die Arbeit schwierig.
Wir sind im Atelier von Sylvie Abélanet, es herrscht eine Kreative und konzentrierte Atmosphäre, die zugleich von Harmonie und Geduld geprägt ist. Der Moment des Abzuges, des Übergangs von der druckfertigen Platte zum Papier, ist wie eine Geburt. Der Blick auf das frisch bedruckte, noch an der Leine hängende Blatt ist unersetzlich solange die chromatische Einheit nicht erreicht ist.
Sylvie Abélanet kann entscheiden, ob sie das Blatt mit nach Hause nimmt und es somit für fertig erklärt oder ob sie es für notwendig hält, wiederanzufangen, zu verändern und andere Dinge auszuprobieren.
So entsteht diese andere, hinter den Dingen existierende Welt.
Die feinen Linien der Blätter, die Libellenflügel wirken wie eine Landkarte: Die Zeit gräbt Falten in ein Gesicht, so wie die Säure sich in die Platte frisst. Der Libelle folgend strandet unser Blick auf einem ockerfarbenen Planeten, verloren in bläulicher Unendlichkeit.
Ihr oft vom Wasser bestimmtes Werk lädt dazu ein, sich in den Mäandern der Stängel und Lianen, die sich dem Lauf des Stromes entgegenstemmen, zu verlieren. Der Betrachter fühlt sich an Wasser erinnert, das von einem Glas rinnt.
Ihre sehr nuancierte Arbeit schafft seltsame Kontraste: Die ockergelben, orangenen Töne des „Versteckten Gartens“ erinnern an die Urschöpfung, das Aufgehen der Saat wird sichtbar, doch erscheinen auch tote Blätter. Bei „Föhn“ könnte es sich um eine fleischfressende, tanzende und flammende Pflanze handeln.
Die menschliche Figur ist seltener, oft versteckt sie sich und wir finden sie in Stücken, mit der Natur verbunden oder mit Blättern und dem Hauptelement Wasser.
„Ophelia“ erscheint in den verschiedensten Versionen. Sylvie stellt von ihr nur eine Hand dar, die die rettende Feder, das Blatt oder das Gespensterschiff nicht erreicht. Das Gesicht verliert sich, taucht wieder auf, verschwindet und wird in den Fluten wiedergeboren. Das Gesicht schwimmt in großer Ruhe mit geschlossenen Lindern. Ophelia kümmert sich nicht mehr um Narziss und „die Weiden weinen auf ihrer Schulter, auf ihre träumerische Stirn neigen sich die Schilfblätter“ (A. Rimbaud).
Der junge Mann, „Der Schläfer im Tal“, beeindruckt durch seine Monumentalität, „blass in seinem grünen Bett, wo das Licht weint“. Sylvie Abélanet wagt es, großformatige Werke zu schaffen. Wir sind berührt durch die körperliche Präsenz zwischen Schlaf und Tod. Der junge Mann kehrt zur blumenbedeckten Erde zurück und seine Haare werden wilde Ranken. Wie bei Ophelia sind die Lider geschlossen. Kann man sich besser die Visionen mit geschlossenen Augen vorstellen? Einen Schlafenden zu betrachten bedeutet, etwas sehr Persönliches zu beobachten, aber auch die Trennung wahrzunehmen, den nie zu erfassenden Traum des anderen.
„Silence II“: im Raum werden die Meteoriten geboren, Teile eines Skelettes, Stümpfe, die in die Leere geschleudert werden. Und ein zerreißender Schrei wird hörbar: Jeder soll die Abwesenheit fühlen und Ruhe finden.
Von großer technischen Geschicklichkeit, nimmt Sylvie Abélanet Risiken auf sich, spielt mit den Gegensätzen und schafft eine in sich geschlossene Welt von Radierungen, die einzeln und gemeinsam existieren.
Ihr Werk ist traumhaft poetisch, ohne Übermaß in der Erzählung.
Sie wendet sich an unser Gewissen, folgt den Wegen unserer Ängste, ergründet die Furcht zu ersticken und die Hoffnung, Ruhe zu finden. Die Elemente verbinden sich bei ihr, Libellen schwirren und folgen mit Leichtigkeit den bewegten Blättern.
Christine Tardy
Conférencière des Musées Nationaux
Traduction de David Mandrella